Eine gute Schiffs-Crew ist ein Sinnbild dafür, wie Teams im Unternehmen sein sollten. Einer ist für den anderen da, man steht füreinander ein. Völlig egal, wer da neben einem sitzt, wie er aussieht, was für eine Religion er hat oder was für einer Kultur er entspringt – zusammenstehen, Synergien schaffen und dafür sorgen, dass anspruchsvolle Ziele erreicht werden. (in Anlehnung an Lars Bender)
Im Bereich Social Media sind wir selten privat, 99% der Beiträge drehen sich um #FitforLeadership. Die uns kennen, wissen, dass wir gerne Zeit auf dem Wasser verbringen. Sie haben angeregt, von den Erfahrungen als Skipper auch mal an dieser Stelle zu berichten. Machen wir gerne, auf die Resonanz sind wir gespannt.
Eine Auszeit nehmen, um über die Meere zu schippern, ist eher ungewöhnlich, oder?
In Frankreich, wo das Segeln mindestens den Stellenwert hat, den hierzulande Fußball genießt, weiß man die Lernerfahrungen, die durchs Segeln gefördert werden, sehr zu schätzen. Im Management gehört es zum guten Ton, auch einmal eine Erfahrung an Bord eines Schiffes gemacht zu haben. Es kann sein, dass die/der CEO dann sogar in die zweite Reihe gehen muss, weil ein Crew-Mitglied es einfach besser draufhat, das Schiff zu führen. Im Alltag verharren wir noch zu oft in unseren angestammten Rollen, dabei tut es gut, einmal eine andere Perspektive einzunehmen. Für uns, in der Funktion als Leadership Consultant, Coach oder Autor, müssen und wollen wir für unsere Kunden oder Buchprojekte aufgeräumt sein. Daher investieren wir gerne Zeit auf dem Wasser und überall dort, wo wir Inspiration erfahren. Meist kehren wir mit vielen neuen Eindrücken und Impulsen zurück in den Alltag.
Taugt ein Segelschiff als Analogie für ein Unternehmen?
Unserer Erfahrung nach ja, denn ein Segelboot bildet ziemlich genau das ab, was auch im Job oft zu beobachten ist: das Team wächst über sich hinaus oder schiebt Frust, weil gerade Flaute herrscht. Man erfährt Anerkennung und Wertschätzung, weil es läuft, oder man schimpft auf die Kollegen von nebenan und gerne auch auf „die da oben“, weil mal wieder nichts klappen will. Im Job nehmen wir uns oft zu wichtig, an Bord lernt man schnell, mit wenig auszukommen und die Natur gibt den Rhytmus vor. Das Team muss zusammenstehen, ansonsten läuft man Gefahr, im wahrsten Sinne des Wortes, Schiffbruch zu erleiden. Entschleunigung, Nachhaltigkeit, und Downsizing – an Bord funktioniert das erstaunlich gut. Davon können wir auch an Land, also in der Firma profitieren.
Ist Leadership an Bord nicht eher Expertokratie oder Autokratie: einer hat das Sagen und alle anderen müssen machen? Mit zeitgemäßer Führung hat das doch wohl nichts zu tun, oder?
Weit gefehlt, denn auf einem Schiff hat bestenfalls nicht irgendwer den Lead, sondern die Person, die am ehesten dazu befähigt ist und die die damit verbundene Verantwortung zu 100% bejahen kann. Als Skip führt man das Schiff partnerschaftlich mit dem Team gemeinsam, auch wenn (per Gesetz) einer allein die Verantwortung trägt. 9,9-Leadership à la Fit for Leadership 4.0 mit GRID vom Feinsten also. Als schiffsführende Person erkennt man die Stärken einzelner Crewmitglieder und gibt ihnen Raum zur Entfaltung. Gleichzeitig ist man VisionärIn, NavigatorIn, die, die das Team sicher durch den Sturm bringt, UnterhalterIn, SeelentrösterIn, AnimateurIn, gerne diejenige Person, die andere machen lässt aber im rechten Moment zur Stelle ist. Offenheit, Vertrauen und Respekt – das ist die Währung, die zählt und Teamplay ist ein absolutes MUSS!
Wie werden Entscheidungen an Bord getroffen und wie geht man mit Konflikten um?
Bei der Frage, welcher Kurs angelegt werden soll, geht es oft zu, wie in einem Strategie-Meeting. Zunächst wird diskutiert, jeder kann und muss mit Fakten und Expertise beitragen. Wenn alle Stimmen gehört wurden, legt man den Kurs gemeinsam fest und geht an die Umsetzung, jeder in seinem Bereich. Wohlwissend der Tatsache, dass es gute Gründe geben wird, den Kurs auch einmal in Frage zu stellen, weil sich die Lage verändert hat. Daher tut die Crew gut daran, den Ernstfall zu proben und sich im agilen Miteinander zu trainieren. Im Hafen angekommen, feiern wir den Zieleinlauf und blicken auf das Erreichte zurück: Worin fühlen wir uns bestätigt? Was können wir besser machen? Welche Learnings nehmen wir mit? Es bringt nichts, die Dinge schönzureden, daher sagen wir klipp und klar, was wir erlebt haben. Kritik ist unumgänglich, aber sie muss konstruktiv sein. Konflikte kann man gewinnen oder lösen, beides geht nicht, das muss jedem klar sein.
Was sind unsere wichtigsten Learnings, welche Schlussfolgerungen bringen wir vom Reisen mit?
Vor ca. 15 Jahren haben wir mit dem Segeln angefangen. Zunächst auf einer kleinen Jolle im heimischen Revier, inzwischen gerne auch mal mit größerer Crew auf den Meeren im Norden oder Süden Europas. Was wir in der Zeit lernen durften, möchten wir wie folgt zusammenfassen:
- Ist die Kultur an Bord gesund, stimmen auch die Ergebnisse
- Was zählt ist: Nicht wer Recht hat, sondern was richtig ist
- Eine/r hat den Lead, aber niemand ist so klug wie alle
- Der erste Fehler ist der Beste, daher gilt es, kleine Fehler erst gar nicht groß werden zu lassen
- Wer die Basics nicht beherrscht, kann Schiff und Crew nicht steuern.
- Die Stärken gilt es zu stärken und vorhandene Potentiale zu entfalten. Es kostet wahnsinnig viel Energie, auf die vermeintlichen Defekte „drauf zu hauen“, zumal die Fortschritte erfahrungsgemäß eher gering ausfallen und das Selbstbewusstsein unnötig Schaden nimmt
- Wer sein Ding machen will, wird besser Einhandsegler, für alle anderen gilt der alte Spruch von Berti Vogts: das Team der Star
Wie ist es bei euch, welche Erfahrungen habt ihr gemacht, nehmt ihr euch auch dann und wann eine Auszeit? Schreibt uns gerne eure Kommentare an info@lindenberg-partner.com, wir freuen uns auf den Austausch dazu.
Melanie und Thomas Lindenberg, 16.03.2023